Plündern der Meere; koste es was es wolle

Am Montag, den 30. April, diskutierten wir bei Radio X (FM 91,8; KABEL 99,85) über die Einzigartigkeit unserer Meere und Meeresorganismen und wie wir sie schützen und erhalten können.

Im Einzelnen ging es um die gemeinsame Fischereipolitik (GFP), die katastrophalen Zustände der industriellen Ausbeutung vor der afrikanischen Westküste, den Schutz des Sylter Außenriffs und um die größte Müllhalde der Welt, dem riesigen Plastikstrudel zwischen Hawaii und den USA.

Darüber hinaus stellten wir den neuen Fischratgeber vor. Er passt in jedes Portemonnaie.

Ende des Jahres wird die GFP der EU erneut die Fangquoten festlegen. Die Fischereigesetzgebung wird alle zehn Jahre neu abgeschlossen. Das ist die Gelegenheit, endlich die dringendsten Forderungen von Greenpeace umzusetzen. Dazu zählen u.a. die Festsetzung niedriger Fangquoten, die Verkleinerung der Fangflotten der EU und ein Rückwurfverbot des unerwünschten Beifangs. Um die Fangobergrenzen einzuhalten, werfen die Fischer unerwünschte Fische einfach ins Meer zurück. Nach einer Studie der EU-Kommission werden je nach Art bis zu 98% der gefangenen Meerestiere zurück ins Meer geworfen – viele von ihnen tot.

Die EU hat ein Fischerei-Abkommen mit einer Reihe von Ländern, die meisten davon in Afrika. Sie sorgen dafür, dass europäische Flotten dort fangen dürfen. Schiffe unter EU-Flagge fangen ein gutes Fünftel ihrer Fische in fremden Gewässern. Tatenlos muss die afrikanische Bevölkerung zusehen, wie Hochseetrawler aus Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland rücksichtslos die Meere plündern und ihnen eine wichtige Nahrungs- und Erwerbsquelle vor ihren Augen wegfischen. Auch die sog. "Illegale Fischerei" trägt zur weltweiten Überfischung bei und macht jedes Bemühen um eine nachhaltige Fischerei zunichte, da die Fangschiffe unter Flaggen fahren, die nicht dem Fischerei-Abkommen beigetreten sind. Die angelandeten Fänge werden somit nicht dokumentiert und können daher auch nicht auf die Fänge angerechnet werden.

Greenpeace hat zahlreiche Firmen und Schiffe ausfindig gemacht, die in illegale Fischerei verwickelt sind und führt eine Online-Datenbank: www.blacklist.greenpeace.org.

Unsere Meeresbiologin Dr. Iris Menn war vier Wochen mit dem Greenpeace-Schiff Arctic Sunrise vor der westafrikanischen Küste unterwegs. Sie erzählte, dass es vor Mauretanien von Megatrawlern wimmelte. Vor zwei Wochen hatten Greenpeace-Aktivisten bereits sieben Fabrikschiffe bemalt und im März protestierten sie eine Woche an dem deutschen Fabrikschiff Maartje Theadora, das ebenfalls vor der mauretanischen Küste fischt. Das deutsche Fangschiff Jan Maria hatten wir bereits  im Januar in Bremerhaven an die Kette gelegt. Dabei handelt es sich gerade in dieser Region Westafrikas um ein außergewöhnliches Ökosystem. Aufgrund der Passatwinde, die aus der mauretanischen Wüste meerwärts strömen, werden Nährstoffe aus dem tiefen Wasser an die Oberfläche gezogen. Dieses reichhaltige Nahrungsangebot lässt die Gewässer vor Westafrika mit über 1.200 Fischarten zu den fischreichsten der Welt gehören.

Die Problematik der katastrophalen Überfischung ist leider weltweit zu sehen. Bereits 75% der internationalen Fischfanggebiete sind nahezu leergefischt. Aber nicht nur die grausamen Fangmethoden der Fischindustrie, die aufgrund modernster und mit Sonar / Radar ausgestatteten Fabrikschiffe auch die letzten Fische im hintersten Winkel der Ozeane orten können, verursachen den Kollaps der Meere

  • für die EU sind 84.000 Schiffe unterwegs auf der Jagd nach Fisch
  • 84.000-mal riesige Netze, seit Jahrzehnten
  • 84.000-mal nicht nur Raub an den Speisefischbeständen, sondern am Meeresleben insgesamt

Immenser Beifang und zerstörter Meeresboden durch Grundschleppnetzfischerei gehören zu den Folgen.

Auch der giftige Müllstrudel aus Plastikutensilien wie z.B. Büromaterialen wie Plastikhüllen und Mappen sowie Einwegrasierern, CD-Hüllen, Plastiktüten und Plastikflaschen stellt eine große Gefahr für Umwelt, Mensch und Tier dar. Über die Ausdehnung dieser Müllsuppe gibt es widersprüchliche Angaben. Schwimmt dort ein einziger durchgehender Müllteppich zwischen Hawaii und den USA? Oder sind es zwei, jeder so groß wie Mitteleuropa die ca. 16 Jahre im Meer kreisen bevor sie als bunt glitzernde Teilchen an die Strände Hawaiis gespült werden oder sich im Körpergewebe der Meeresbewohner einbauen? Forscher machten bereits in den sechziger Jahren darauf aufmerksam, dass die Plastikmahlzeiten den Seevögeln zum Verhängnis werden. Sie verhungern obwohl ihr Magen prall gefüllt ist – mit Plastikabfällen. Unser Meeresbiologe Thilo Maack fordert schon seit langem, dass wir hier dringend etwas unternehmen müssen. Aber wie lässt sich dieses große Problem bei den Wurzeln packen? Da wäre zum Einen, dass Kunststoffprodukte nicht mehr aus Erdöl produziert werden dürften. Ganz entscheidend ist aber auch hier der Verbraucher gefragt. Müssen immer  noch Plastiktüten und Schüsseln erworben werden? Auch auf die Nutzung von Plastiktüten könnte man grundsätzlich verzichten (im Durchschnitt nutzt der Verbraucher eine Plastiktüte 20 Minuten).

Ein gravierendes Thema, welches wir auch in der Radiosendung angesprochen hatten, ist die deutsche Ostseeküste. Sie ist zur schwimmenden Pipeline geworden. Über 8.000 Tanker vollgepumpt mit Öl aus Russland sind hier unterwegs. Auch chemische Gifte und Schwermetalle aus Industrie und Kommunen, Erdöl von Bohrplattformen, Öl aus Schiffsunfällen sowie radioaktives Material aus Kernversuchen und atomarer Wiederaufarbeitung fügen dem Meer und seinen Bewohnern schwere Schäden zu. Nicht zu vergessen ist der Lärm, der permanent im Meer herrscht und den Meeresbewohnern die Orientierung erschwert. Die Liste der giftigen Substanzen ließe sich endlos weiterführen. Aufgrund der Nahrungskette vergiftet sich der Mensch jedoch letztendlich selbst.  

Seit 2008 schützt Greenpeace das bereits 1994 der EU-Kommission nach Brüssel gemeldete sog. „NATURA 2000“-Schutzgebiet für Nord-und Ostsee, da der tatsächliche Schutz dieser Gebiete leider lediglich auf dem Papier besteht. Zerstörerische Fischereitechniken sowie Sand- und Kiesabbau wurden auch weiterhin ungehindert betrieben. Den politischen Versprechungen folgten keine Taten. Greenpeace leistete daher am Sylter Außenriff Schwerstarbeit. Tonnenschwere Natursteine wurden zum Schutz des von der Bundesregierung ausgewiesenen Schutzgebietes westlich von Sylt im Meer versenkt. Das Sylter Außenriff ist eines der seltenen mit Steinen (Hartgrund) durchzogenen Gebiete in der Nordsee und besonders schützenswert, da es eine hohe Artenvielfalt ermöglicht. Auch Schweinswale, die zu den am stärksten bedrohten Tieren in Europa zählen, kommen zur Paarung und Geburt in das Riff, um hier Schutz zu finden. Das Riff wurde u.a. auch wegen der Schweinswale, von denen es noch ungefähr 100 Tiere gibt, zum Schutzgebiet erklärt. Zwischenzeitlich wurden die versenkten Natursteine von der Natur angenommen. Sie sind bewachsen und es siedeln sich Kleinstorganismen an.

Was fordert Greenpeace?
Um die Artenvielfalt zu bewahren fordern wir die Einrichtung eines weltweiten Netzwerkes von Schutzgebieten: Mindestens 40 Prozent der Meere müssen dauerhaft geschützt werden.

Ein umgehendes Verbot (Moratorium) für zerstörerische Aktivitäten in den vorgeschlagenen Schutzgebieten für Nord- und Ostsee. Es muss u.a. gelten für: Fischerei, neue Öl- und Gasförderung, Sand- und Kiesabbau.

Ein sofortiges Verbot für Grundschleppnetzfischerei auf Hoher See.

Die Einrichtung eines Meeresschutzgremiums auf europäischer Ebene, das mit allen notwendigen Kompetenzen für einen ganzheitlichen Meeresschutz ausgestattet ist.

Wie kann der Verbraucher die Artenvielfalt schützen?
Wichtig ist, dass sich der Verbraucher darüber informiert wie der Fisch gefangen wurde, d.h. weniger verschwenderisch (ohne Beifang) und mit welcher Fangmethode (Beschriftung auf der Verpackung beachten). Um Druck auf die Fischerei auszuüben, sollte insgesamt viel weniger Fisch gegessen werden. Auch ein kritischer Blick auf die Speisekarte kann zur Rettung der Fischbestände beitragen. Um die Wahl der zum Verzehr geeigneten Fischsorten zu erleichtern, hat Greenpeace einen Fischratgeber (passt in jedes Portemonnaie) mit den gängigen Speisefischen erarbeitet. Der Fischratgeber zeigt Ihnen, welche Arten aus ökologischer Sicht zum Verzehr geeignet sind wie etwa  Makrele, Hering und Seelachs (Köhler) und welche überhaupt nicht auf den Teller gehören, wie z.B. Alaska-Seelachs, Heilbutt, Lachs, Rotbarsch, Scholle und Thunfisch. Besonders schlecht steht es um den Kabeljau. Der Rückgang betrug in den letzten dreißig Jahren rund 90 Prozent. Es wird ein Zusammenbruch des Bestandes befürchtet, wenn nicht umgehend etwas passiert.