Brasilien am Scheideweg

Im Jahre 2012 wurde das brasilianische Waldgesetz (Codigo Florestal) auf Druck der einflussreichen Agrarlobby reformiert (s. Greenpeace, Deutschland: Das neue Waldgesetz, 2011/02). Dabei wurde u.a. die illegale Rodung von Wald vor dem Jahr 2008 amnestiert und der strikte Schutz vor Rodung von Waldflächen auf Hängen, Hügelkuppen und an Flussufern aufgehoben. Seitdem ist die Entwaldung in Brasilien wieder stark angestiegen, nachdem sie bereits einige Zeit abgebremst war. Doch damit ist es nicht genug. Weitere gesetzliche Veränderungen bedrohen den Amazonaswald: eine Verfassungsänderung sowie die Reform des Bergbaugesetzes. Während letzteres den Abbau von Bodenschätzen auch in Schutzgebieten ermöglichen soll, ist mit ersteren geplant, die Entscheidung über Schutzgebiete und Indigene Territorien von der Regierung auf das von der Agrar-, Bergbau- und Energielobby dominierte Parlament zu verlagern (auch bereits existierende Gebiete wären davon betroffen). Und die Chancen, dass diese Änderungen durchkommen, stehen nicht schlecht, denn für die brasilianische Regierung haben wirtschaftliche Interessen eindeutig Vorrang vor Umwelt und Natur.

Neben der Bedrohung durch die Agrarwirtschaft – vor allem durch den Anbau von gentechnisch veränderter Soja für den Viehfutterexport, der Rinderzucht und zunehmend auch Palmöl – und dem Bergbau ist der Amazonaswald und die in und von ihm lebenden Indigenen und Tiere stark von etwas bedroht, was eigentlich gutgeheißen werden sollte: den Ausbau erneuerbarer Energie. Der steigende Energieverbrauch der Industrie soll durch den massiven Ausbau von Wasserkraft abgedeckt werden. Dafür müssen Tausende von Hektar Tropenwald abgeholzt und geflutet und Menschen umgesiedelt werden. Unzählige Tiere verlieren ihren Lebensraum. Der noch verbleibende Wald trocknet aufgrund des abgesenkten Grundwasserspiegels aus und ist so anfällig für Brände.

Sieben Wasserkraftwerke mit insgesamt 16 Gigawatt hat Brasilien schon, mehrere hunderte sind geplant oder schon im Bau, am Amazonas sowie seinen Nebenflüssen. Am Xingu wird gerade am Belo Monte gebaut, der nach seiner Fertigstellung der drittgrößte Stausee der Welt sein wird, und am Tapajos mitten in einen Nationalpark ist gleiches geplant – hier, wie am Xingu, stoßen die Pläne auf erbitterten Widerstand der einheimischen Bevölkerung, der Kirche und von Nicht-Regierungsorganisationen. Die einseitige Ausrichtung auf die Steigerung des Wasserkraftanteils wird von Umweltschützern massiv kritisiert. Ein Vielfaltiges an Tropenwaldvernichtung könnte verhindert werden, würden ältere Wasserkraftwerke modernisiert und würde Brasilien Energiequellen nutzen, die es zu Genüge hat: Sonne und Wind, denn diese Potentiale bleiben bis dato ungenutzt.