Monsanto kämpft gegen Bauern

Ein US-Farmer und ein Wissenschaftler berichten von ihren Erfahrungen mit dem Gentechnikkonzern

Das folgende eindrückliche Interview ist in der Februarausgabe der "Unabhängigen Bauernstimme", der Monatszeitung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) erschienen. Wir danken dem AbL-Verlag für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung auf unserer Webseite!

 
 
 

Troy Roush ist Farmer und Bill Freese ist Wissenschaftler. Beide Nordamerikaner eint eine skeptische Haltung gegenüber dem von der Agrarindustrie aggressiv vermarkteten gentechnisch veränderten (GV) Saatgut. Zur Zeit bestreiten sie eine von der AbL organisierte Vortragsreise in Deutschland

 
 

Bauernstimme: Troy, willkommen in Deutschland! Bitte schildern Sie kurz die Geschichte ihrer Farm in USA.

 

Troy Roush: Meine Vorfahren waren Deutsche. Seit 1820, also seit fast 200 Jahren arbeiten wir nun in der fünften Generation auf unserem Land. Das ist eine sehr lange Zeit. Ursprünglich bewirtschafteten wir 35 Hektar. Bis 1992 hatten wir noch Schweine. Doch das Wachstum der Farmen führt in eine Spirale nach unten und auch die Übriggebliebenen wirtschaften am Limit. Besonders in der Tierzucht konzentriert sich die Produktion auf immer weniger immer größere Betriebe. Heute baue ich mit unserem Vater und zwei Brüdern Getreide, Mais, Sojabohnen und Tomaten auf 2.200 Hektar an.

 

Welches sind Ihre Erfahrungen mit Gentechnik?

 

Troy Roush: Als 1996 das erste gentechnisch veränderte Soja auf den Markt kam, hatten wir große Unkrautprobleme. Viele unserer Nachbarn stiegen sofort auf GV-Soja um. Wir bauten zum ersten Mal 1997 versuchsweise auf einem kleinen 35 Hektar-Feld „Roundup Ready Soja“ an. Der Acker war dann tatsächlich weitgehend unkrautfrei. Von unserem GV-Acker ernteten wir dennoch 15% weniger als beim konventionellen Soja. Also war der Anbau von gentechnisch verändertem Soja schlicht unwirtschaftlich.

 

Bill Freese: Die 15% Minderertrag entsprachen dem Durchschnitt in den USA. 1996 waren die gentechnisch veränderten Sojasorten nur schlecht an die unterschiedlichen Agrarregionen angepasst.

 

Troy Roush: Dennoch haben meine Nachbarn schon damals 100% GV-Soja angebaut. Das funktionierte nach dem Baukastensystem: Nimm das Saatgut der Züchtungsindustrie, nimm das Herbizid der chemischen Industrie und ernte. Der Farmer muss nicht nachdenken und das Feld sieht immer schön sauber aus.

 

Bill Freese: Bei Soja betrug der Anteil von GV-Saatgut 1996 zunächst 10 %, 2002 waren es 65%, heute sind es in den USA 93%.

 
 

Troy, wie ging es auf Ihrer Farm dann weiter?

 

Troy Roush: 1999 schlossen wir einen Anbauvertrag mit Syngenta für 200 Hektar GV-Sojasaatgut ab. Im Herbst 99 kam ein Privatdetektiv von Monsanto und fragte uns aus. Ich beantwortete ihm alle Fragen wahrheitsgemäß. Im Mai 2000 wurden wir dann von Monsanto angeklagt, 1999 illegal nachgebautes GV-Saatgut zu verwenden. Die Anklage wurde damit begründet, dass wir mit Monsanto einen Vertrag abgeschlossen hätten. Es war eine völlig unbegründete, verleumderische Anklage.

 
 

Sie haben sich gewehrt?

 

Troy Roush: Natürlich, Monsanto hatte unrecht. Die Anklage war falsch und haltlos, sie hatten keine Beweise, außer einer gefälschten Unterschrift. Die haben mich ganz verrückt gemacht. Wir konnten nicht schlafen und wurden krank. Der Kampf kostete uns 400. 000 US $. Das können sich die meisten Farmer gar nicht leisten. Wir haben uns außergerichtlich geeinigt und Monsanto hat auf seine Forderungen verzichtet.

 

Bill Freese: Das ist kein Einzelfall. Wir haben recherchiert, dass es bis Oktober 2007 112 Verfahren gab und Bauern 21 Mio US-Dollar an Monsanto gezahlt haben. Die meisten Streitigkeiten landen jedoch nicht vor Gericht. Wir gehen davon aus dass es zwischen 2.300 und 4.500 derartige Fälle gibt be denen von den Farmern zwischen 85 und 160 Mio US-Dollar gezahlt wurden.

 
 

Um keine weiteren Klagen zu riskieren, haben Sie dann ausschließlich GV-Soja angebaut?

 

Troy Roush: Ja, aber seit 2004 sind wir parallel in den biologischen Anbau von Soja, Weizen und Mais eingestiegen und konnten bis 2008 wunderbare Erlöse erzielen. Wegen der Wirtschaftskrise ist der Gewinn im Bioanbau allerdings stark geschrumpft. Seit 2009 bauen wir auch konventionelles, zertifiziertes GV-freies Soja an und können das zu einem 20% höheren Preis absetzen.

 
 

Nachdem wir einiges von Troys Farm gehört haben, möchten wir gerne noch etwas von der generellen Situation um GVOs in den USA wissen. Wie steht es zum Beispiel aktuell mit der Wirtschaftlichkeit beim Anbau von GV-Soja?

 

Troy Roush: Die nimmt ab, da sich immer neue Herbizidresistenzen entwickeln. Nachdem alle neuen ertragsstärkeren Sorten gentechnisch verändert sind und konventionelle Sorten nicht mehr weiterentwickelt werden, sind mit GV-Soja höhere Erträge als mit konventionellem möglich. Dieser Vorteil geht aber durch höhere Kosten zur Bekämpfung resistenter Unkräuter verloren. Da Glyphosat-Produkte wie „Roundup“ an Wirksamkeit einbüßen, müssen Herbizidcocktails eingesetzt werden.

 

Bill Freese: Hier bekommen wir es mit einem neuen Problem zu tun. Werden mehrere Herbizide mit bekannter Ökotoxizität gemeinsam ausgebracht, kann es durch Wechselwirkungen zu einer Schädlichkeit kommen, die deutlich höher ist als die aufsummierte Schadwirkung der Einzelkomponenten. Dennoch werden keine Tests der Herbizidkombinationen verlangt. Es wird erwartet, dass das „Monsanto-Roundup“ spätestens 2014 aufgrund der Resistenzen nicht mehr als Herbizid eingesetzt werden kann. Bis dahin müssten neue Resistenzen in die Kulturpflanzen übertragen sein, um andere Totalherbizide einsetzen zu können. In Georgia musste auf über 200 000 Hektar das Unkraut in GV-Baumwolle von Hand bekämpft werden, da kein Herbizid mehr wirkt. Die Farmer versuchen nun durch Kleeuntersaat das Unkraut zu bekämpfen. Inzwischen gibt es 21 bekannte Roundup resistente Unkräuter.

 

Wird die Herbizidresistenz von den Farmern als Problem erkannt?

 

Troy Roush: Ja, in jedem Fall. Aber sie glauben den Versprechungen der Gentechnikindustrie und hoffen auf neue Produkte, neue chemische Problemlöser.

 

Bill Freese: Dazu müssen immer neue Resistenzen von Bakterien gewonnen und auf Kulturpflanzen übertragen werden. Die Bakterien kommen dabei aus Böden, die über Jahre intensiv mit Herbiziden behandelt wurden. So werden immer gefährlichere Herbizide entwickelt und das ist nicht nachhaltig!

 
 

Welche Entwicklungen im Satgutbereich beobachten sie in den USA?

 

Bill Freese: In der Vergangenheit wurde die Pflanzenzüchtung vollständig von den Universitäten zur Agroindustrie verlagert. Es gibt inzwischen so gut wie keine private, unabhängige Pflanzenzüchtung mehr. Das ist ein großes Problem. In Europa ist diese Entwicklung meines Wissens noch nicht so weit fortgeschritten. Es ist höchste Zeit neue Wege zu beschreiten.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 
 

Interview u. Bild: Andreas Lehmann, freier Journalist

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